Harms, der Mörder

Kurzer Einakter von Maxim Loick

Personen:

Harms, der Mörder
Ein Mädchen mit Bandagen an den Fesseln
Ein Cowboy mit Mundharmonika

Erster Akt

Die Bühne ist dunkel, am vorderen Rand links (vom Zuschauer aus betrachtet) sitzt der Cowboy, die Beine lässt er vom Bühnenrand baumeln. Er spielt ein trauriges Lied auf seiner Mundharmonika. Das Mädchen mit den bandagierten Fesseln sitzt rechts (vom Zuschauer aus betrachtet) und lässt ebenfalls die Beine baumeln. Von Zeit zu Zeit kichert sie ins traurig-schöne Mundharmonikaspiel.

Mädchen: Hihihi.

Harms (tritt auf, Spot auf ihn, er trägt Jeans und T-Shirt): Mein Name ist Harms, ich bin der Mörder. (Er breitet die Arme aus und lässt sie dann fallen.) Genaugenommen bin ich es aber nicht. Noch nicht. Aber ich werde ein Mörder sein.

Der Cowboy unterbricht sein Mundharmonikaspiel.

Harms: Spiel weiter, Freundchen! Spiel bloß weiter, sonst geht’s hier gleich los! Ich bin Harms, der Mörder!

Der Cowboy fängt an, etwas anderes, aber ebenfalls trauriges zu spielen.

Harms: Als ob das alles nicht schon traurig genug wäre! Jetzt spielt der das! He, Freundchen!

Der Cowboy spielt unbeirrt weiter.

Harms: He, Freundchen! Spiel was anderes, hörst Du schlecht?

Der Cowboy spielt unbeirrt weiter.

Harms: Freundchen! Ich sag: SPIEL WAS ANDERES! (macht einen Schritt auf den Cowboy zu)

Der Cowboy spielt trotzdem unbeirrt weiter.

Harms: Weißt Du nicht, dass ich der Mörder bin? (überlegt) Er scheint’s nicht zu wissen. (zum Mädchen) He, olle Trine! Wer ist das da?

Mädchen: Bin keine Trine, hihihi.

Harms (geht ein paar Schritte zum Mädchen): Wer ist das? Kennt der mich nicht? Ich sag, er soll was anderes spielen! Der Hampelmann, was spielt der da? Er soll was lustiges spielen. Ich habe einen Grund dafür.

Mädchen: Hihihi.

Harms: Lass das Gegicker, hörst Du, olle Trine?

Mädchen: Bin keine Trine, hihihi.

Harms (hält sich die Ohren zu): Seid Ihr denn alle blöde? (zum Mädchen) Wer ist das? Er soll was lustiges spielen!

Mädchen: Er ist ein Präriedent, hihihi.

Harms: Ein Präsident? Ein Präsident spielt nicht auf so einem Instrument! Na warte! (macht zwei Schritte auf den Cowboy zu, der aber weiter sein trauriges Lied spielt).

Mädchen: Nein, er ist ein PRÄ-RIE-DENT. Er spielt Mundharmonika.

Harms (zum Cowboy): He, Präsident! Im Namen des Volkes bestimme ich: Spiel was Lustiges!

Der Cowboy spielt weiter trauriges.

Harms (zieht einen Revolver aus dem hinteren Hosenbund): Ich bin’s, Harms! Der Mörder Harms!

Der Cowboy blickt nicht einmal hoch.

Harms (zielt auf den Cowboy): Ich knall Dich ab, Junge! Spiel was lustiges, oder ich knall dich ab wie eine Maus!

Der Cowboy spielt immer weiter.

Harms (gibt einen Warnschuss in die Luft ab): Lustig, sag ich!

Der Cowboy spielt weiter.

Harms (macht drei Schritte zum Mädchen): Ist er vielleicht taub?

Mädchen: Hihihi, taub.

Harms: Taub? Wie kann er dann spielen?

Mädchen (singt): Taub, taub, taub sind alle meine Blumen.

Harms: Bist du bescheuert? Was soll das? Ist der Mann da taub? Wie kann er spielen, wenn er taub ist?

Mädchen: Hihihi, er ist taub wie eine Blume.

Harms: Woher weißt du das? (macht einen Schritt auf den Cowboy zu und versucht, dessen Aufmerksamkeit durch Herumfuchteln mit dem Revolver vor seiner Nase zu gewinnen) Halloo! Ich bin’s! Harms, der Mörder!

Der Cowboy spielt trotzdem weiter.

Harms (geht wieder zu dem Mädchen, flüstert): Er wird doch nicht auch noch blind sein?

Mädchen: Hihihi.

Harms: Hör mal zu, Trine, ich bin’s bald leid mit Dir!

Mädchen: Bin keine Trine, hihihi.

Harms: Ist dieser Mann auch noch blind?

Mädchen: Hihihi, blind.

Harms: Wie?

Mädchen: Der Prä-rie-dent ist blind wie eine Natter.

Harms: Nattern sind nicht blind.

Mädchen: Doch, sind blind wie die Schlangen und schlau wie die Füchse!

Harms: Schlangen sind nicht blind! (er setzt sich auf den Boden)

Der Cowboy spielt weiter. Harms guckt erst ihn, dann das Mädchen an. Er steckt die Waffe wieder in seinen Hosenbund. Das Mädchen singt ein wenig vor sich hin.

Harms steht auf und geht ab. Vorhang. Der Cowboy und das Mädchen bleiben vor dem Vorhang sitzen.

Mädchen (zum Cowboy): Ich… ich bin verletzt, wissen Sie, ein Reitunfall, beide Fesseln gesplittert.

Der Cowboy hört auf zu spielen. Hinter dem Vorhang fällt ein Schuß. Vorhang auf. Auf der Bühne sitzt Harms und hält sich das Knie. Neben ihm liegt der Revolver.

Harms (jämmerlich): Aua aua aua! Mein Knie, au weh! Es blutet, um Himmelswillen, ich blute! Olle Trine! Hilf mir!

Mädchen: Bin keine Trine! (steht auf und geht zu Harms) Tut’s weh?

Harms (nickt mitleiderregend): Jaa, au au au!

Mädchen (fängt an, eine ihrer Bandagen abzuwickeln): Hier, lieber Mann, ich habe eine Bandage. (wickelt weiter)

Harms: Bist eine gute Trine, so ist’s lieb, du bist eine liebe Trine.

Mädchen (wickelt weiter): Bin keine Trine.

Der Cowboy fängt wieder an zu spielen, wieder ein trauriges Lied.

Harms: Jetzt spielt der wieder sowas trauriges. So traurig ist er. Kann nicht hören und nicht sehen und ist immerzu traurig.

Das Mädchen fängt an, die abgewickelte Bandage um Harms Knie zu wickeln.

Harms: Und du? Was ist mit dir?

Mädchen: Reitunfall, beide Fesseln gesplittert.

Harms: Und lachst den ganzen Tag?

Mädchen: Ja. (bandgiert weiter Harms Knie)

Harms: Du bist ein gutes Mädchen.

Mädchen: Ich kann auch singen, auch lustige Sachen. Oder schöne. (sie lächelt Harms an)

Harms (lächelt zurück und nimmt ihre Hand): Gutes Mädchen, wie heißt Du?

Mädchen: Kovacevic.

Harms (nimmt den Revolver und erschießt das Mädchen): Ich bin Harms, ich bin der Mörder.

Vorhang. Der Cowboy spielt so lange traurige Lieder, bis alle Zuschauer den Saal verlassen haben.

 

Von Maxim Loick

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Ein Kommentar

  1. Und sowas schüttelt dieser Mann einfach so aus dem Ärmel (scheint mir). Woher kommen nur immer diese wilden Ideen? Bin beeindruckt.
    Bei der Realisierung möchte ich bitte zum Cowboycasting.

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