Der Mercedes ist weg

Heute habe ich meinen schönen alten Mercedes (C123 – 230CE, silberdistel mit grünem Velours, hier links in einem Bild aus besseren Tagen, aber mit schlechterer Kamera, mit altem Recklinghäuser Kennzeichen) einem dieser Typen überlassen, die einem diese „Kaufe jede Schrottkarre“-Karten an die Scheibe heften. War zu kaputt, der Wagen. Rost allenthalben, das Automatikgetriebe ruckelte heftig unter Volllast, für eine neuerliche TÜV-Plakette hätte ich nochmal mindestens zwölfhundert Euro investieren müssen.

Ich hätte nicht gedacht, dass einen beim Verkauf eines Autos plötzlich ganz viele Erinnerungen heimsuchen, so wurde ich völlig überraschend doch ein wenig wehmütig, als ich mit einer Hand voll Fünfzig-Euro-Scheinen wieder zurück ins Büro fuhr.

Was mich da erwischte, waren Bilder von der Cote d’Azur und aus den mediterranen Alpen, wohin @frau_ratte und ich in diesem Wagen vor ein paar Jahren gefahren waren; das kleine Gefühl, als ich kurz nach Erwerb des Wagens in der Abenddämmerung hinter dem Stern her erstmals über die Bonner Nordbrücke fuhr; das Einladen von vierhundert Einkaufstüten in den riesigen Kofferraum; @frau_ratte’s „Hier einzusteigen ist immer Urlaub“ erst kürzlich noch.

Dieses Angesprungenwerden von Sentimentalitäten erwischte mich unvorbereitet. Der Wagen musste einfach weg, zu kaputt, zu hoher Verbrauch, Knöllchengefahr ohne gültige TÜV-Plakette im öffentlichen Raum. Und noch etwas spielte eine gewichtige Rolle: Da kauft der @Pausanias nur noch Biofleisch. Da tritt er in die SPD ein mit keinem geringeren Anspruch, als die Welt zu verbessern. Da krakeelt er nach Nachhaltigkeit und korrektem Verhalten. Und bläst alle 100 Kilometer fünfzehn Liter allerfeinstes Erdölderivat in die Atmosphäre. Das geht nicht. Auch nicht für grünes Velours und silberdistel metallic. Ausserdem war der Stern ab.

Einer meiner Lieblingstwitterer, @pramesan, hat mich direkt gefragt, was ich denn als Ersatz anschaffen würde. Nichts. Ein Jobticket. Es ist mir durchaus ernst mit dem Statussymbol „Low Carbon Footprint“. Und wie @frau_ratte und ich den Autoeinsatz reduziert haben in unserem Alltag, das macht mich wirklich froh und das ist ein kleines Mosaiksteinchen zu meiner festen Überzeugung, dass wir, die Menschheit, es schaffen können, das ganze mit der guten Welt und so.

Und wer weiß, vielleicht verschachert dieser halbseidene Typ den Wagen nach Afrika oder in den Nahen Osten, vielleicht werde ich die Karre eines Tages in der Tagesschau wiedersehen, wenn die befreite arabische Welt einen kleinen Autokorso um ein neues arabisches Parlament macht oder so. Und diese Freude wird dann auch – zumindest temporär – aufwiegen, dass mein Mercedes schon immer fünfzehn Liter Super gesoffen hat.

Von Maxim Loick

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