Wir sind keine Fans

Genossinnen! Genossen!
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten!

Gestern hat wieder einer von uns der Partei den Rücken gekehrt, sein Name ist Michalis Pantelouris und er hat seine Gründe hier niedergeschrieben. Ich kann ihn verstehen und ich selbst musste danach erstmal ins Bett, denn da ist so viel wahres in seinem Text.

Jetzt ist es knapp 5:00 Uhr, ich mag nicht mehr schlafen. Ich habe mich hin und her geworfen, wie kann ich, wie Michalis schreibt, meine Energie weiter für eine Partei verschwenden, die ihre Glaubwürdigkeit mit solchen Söldnern wie Rolf Kleine aufs Spiel setzt? Ich bin genervt.

Immer mehr Genossinnen und Genossen haben keine Lust mehr, inzwischen sind wir nur noch knapp 480.000. Dann gucke ich in unseren Ortsverein hier in Beuel. Junge Leute kommen zu uns, zuletzt Katrin, Jan, Michi und Mathias, und setzen sich an unseren Stammtisch, warum machen die das? Keine Lust auf Komasaufen, lieber sich der Lächerlichkeit preisgeben, Parteimitgliedschaft als eine Art verquere Extremsportart? Ich glaube nicht. Ich glaube, die wollen sich für eine bestimmte Politik einsetzen, die wollen was machen, die wollen was verändern. Die wollen diese ganzen Dinge, die in unserem Regierungsprogramm stehen, auf die Straße bringen. Die wollen die Politik verändern, hier vor Ort in Beuel, im Bund und in Europa. Die stehen hier parat mit ihren Idealen, haben Energiewende und Rentenkonzept schon geschultert und wollen los.

Steinbrück entlässt Donnermeyer und stellt dafür Rolf Kleine vor. Diesen Bildzeitungstypen. Der soll uns jetzt die Kampagne machen, weil die Kampagne davor nicht in Schwung gekommen ist. Der letzte, der für uns eine Kampagne in Schwung gebracht hat, hieß Lutz Meyer und bringt inzwischen die Kampagne für die CDU in Schwung. Was machen diese Typen denn da? Die sollen unser schönes Wahlprogramm mit dem Zacharias unterlegen, fidelfidel, damit unsere Fans uns wählen, scheißegal um welche politischen Ziele es dabei geht, Tagessatz zweitausend Tacken, dafür kann man auch mal die Seiten wechseln. Und völlig nachvollziehbar gehen immer mehr Genossinnen und Genossen ihrer Wege.

Ich bin genervt. Was will ich denn? Soll ich meine Wahlkampfaktivitäten nun aussetzen? Michalis hat doch Recht! Soll ich mit meiner Energie einem wie Rolf Kleine, einem Hetzer der Bildzeitung, den Job sichern? Ich gucke auf den Rucksack, den ich kurz abgesetzt habe, darin u.a. Energiewende, Rentenkonzept, Bürgerversicherung und Ausbau der Kinderbetreuung. Ich denke kurz an Uli Kelber, für den ich mich ins Getümmel werfen soll, und nehme den Rucksack wieder auf den Rücken.

Ich will nicht, dass Peer Steinbrück Kanzler wird, weil ich sein Fan wäre. Ich glaube auch nicht, dass die Genossinnen und Genossen um mich rum Fans von Peer Steinbrück sind. Wir glauben nur, dass Peer der richtige ist, unseren Rucksack im Kanzleramt für uns auszupacken,  die vielen Dinge, die wir ihm da reingepackt haben. Wir wollen, dass unsere Politik im Kanzleramt gemacht wird. Darum geht’s.

Und darum habe ich den Rucksack jetzt wieder auf meinem Rücken und gehe los, mit mulmigem Gefühl, aber mit der Hoffnung, dass vielleicht ein Genosse des Wegs kommt, der mir ein bisschen beim Tragen hilft. Und Uli Kelber, der trägt auch mit, das weiß ich jetzt schon. Und Andreas und Alexander, Katja und Petra hier aus dem Vorstand im OV, die tragen auch alle mit, Angelika und Ingo, Hans-Georg und die Gebauers, die tragen auch mit. Und – Ihr merkt, ich komme nun zum hymnisch-pathetischen Teil – dann kommen immer mehr Genossinnen und Genossen dazu. Unterwegs nehmen wir Peer auf unsere Schultern. Wir sind noch knapp 480.000 – das macht 960.000 Schultern, auf denen wir Peer mit unserem dicken Rucksack ins Kanzleramt tragen, damit er dort unsere Politik macht. Und wir warten nicht auf eine Kampagne von einem Bildzeitungstypen, wir gehen jetzt los. Wir wollen keine Fans sein, die ihren Kandidaten bedingungslos lieben, dazu geht man in die CDU, wir haben einen Auftrag für unseren Kandidaten und mit diesem Auftrag tragen wir ihn ins Kanzleramt.

Und den kriegen wir nur da rein, wenn wir authentisch sind. Der kluge @wasalski hat vor über einem Jahr zu mir gesagt, dass Authentizität das next big thing wird und ich glaube, dass jetzt der Zeitpunkt dafür ist. Die Zeit der Beraterwahlsiege ist vorbei, Klaus Meine hat beim Proseccosaufen nicht die Mauer eingerissen, Lutz Meyer soll sich ruhig um Frau Merkel, die hohle Schachtel, kümmern. Wenn Peer Steinbrück belegt, dass er schon seit 2002 gegen die Fliehkräfte der Gesellschaft wirkt, dann ist das authentisch. Wenn Peer Steinbrück belegt, dass er 2008 alles in seiner Macht stehende getan hat, um die Finanzkrise in den Griff zu bekommen, dann ist das authentisch. Wenn dieser Peer Steinbrück sich jetzt für ein Trennbankensystem und eine Finanztransaktionssteuer einsetzt, dann ist das authentisch. Wenn Thomas Oppermann sich öffentlich über PRISM aufregt und gleichzeitig weiter die Vorratsdatenspeicherung vorantreiben will, dann ist das ausgesprochen NICHT authentisch. Wenn Gesche Joost sich für den Breitbandausbau und die Überwindung des Digital Divide einsetzt, dann ist das authentisch. Wir können die Wahl nur gewinnen, wenn wir mehr authentische als nicht authentische Forderungen stellen. Und die, die losgegangen sind, bevor die Hymnen erklangen und das Pathos uns beflügelt hat, das sind die authentischsten, von denen will ich einer sein, deswegen gehe ich jetzt duschen, mache den Kindern Frühstück und dann los.

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Politik, SPD

Von Maxim Loick

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Ein Kommentar

  1. Ich kann dich sehr verstehen. Ich weiss nicht, was den guten Peer und seine Leute grade reitet (denn die Berater stellt jemand ein, nachdem sie jemand anders vorgeschlagen hat). Das ist ziemlich entwürdigendes Laientheater, was er aufführen muss.
    Schröder hat den medientauglichen Politiker für Deutschland erfunden und nun müssen sie da scheinbar alle durch.
    In einer Zusammenkunft gestern Abend, der Bundestagskandidat die Wahlkreises stellt sich vor. Er hat eigentlich keine Chance, weil anderen Parteien so stark sind, er macht das, weil die Berufpolitiker abgewinkt haben. Eine alte Parteisoldatin beginnt vom Leder zu ziehen: Er müsse die Herzen erobern und ihn sollten alle mögen, wie er das denn hinkriegen wolle, er sähe schliesslich nicht aus wie George Clooney.
    Das war der *rofl*-Moment, das Konzept Medienwirksamkeit und politisches Method Acting ist auch bei beigen Endfünfzigerinnen mit dem praktischen Haarschnitt angekommen. Zeit, sich davon zu verabschieden.
    So bitter es sein mag. Aber Merkel mit den Freuehändchen und ihrer Art, erstmal nix nach außen zu tragen ist verdammt authentisch. Das ist doch das, was so viele monieren und zu böser Häme bringt. Dass sie nicht zur Projektionsfläche taugt.
    (Ok. Vielleicht für Marusha, aber da möchte ich gern wissen, was die genommen hat, bevor sie dieses Interview gab,)

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