Meeting Entwicklungsteam „Mann“ drei Wochen vor Go-Live

Teamleiter – TL
Leiter Entwicklungsteam „Muskeln“ – MUSC
Leiter Entwicklungsteam „Fortpflanzung“ – FPFL
Leiter Team Customization Standard Systeme – CUST

TL: „So, Leute, wir hatten ja gestern das Teamleitermeeting, ich kann Euch sagen, die Kacke ist am Dampfen. Also alles was MUSC angeht, ist so abgenommen worden, da gab’s keine Probleme. Allerdings können wir unser Konzept FPFL wohl total in die Tonne treten, die Kollegen vom Team Frau sind da gestern plötzlich mit ganz anderen Anforderungen ums Eck gekommen, ich hatte das ja mit FPFL gestern Abend noch kurz bekakelt.“

FPFL: „Ja, schöne Scheiße. Wir hatten ja alle unsere FPFL Systeme darauf ausgerichtet, permanent Erbgutträger ans Körperäußere zu transportieren, die dann vom System Frau jederzeit abgeholt werden können. Das schöne an der Idee ist ja, dass wir damit Synergien mit der Kühlung hätten nutzen können. Aber jetzt wollen sie die Erbgutträger bis ins Innere ihres Körpers geliefert bekommen, und zwar nicht gerade  subkutan! Ich bin da immer noch etwas ratlos, zumal mir nicht ganz einleuchten will, warum wir jetzt so weit liefern sollen. Einer der Kollegen vom Team FPFL Frau hat mir gesteckt, dass die die befruchtete Eizelle eh noch etwas herumwandern lassen wollen, bevor die sich einnistet. Da hätten sie doch genauso gut unsere Erbgutträger an ihrer Oberfläche auch abholen können, oder etwa nicht?“

TL: „Das blöde an der Sache ist: Der TL vom Team Frau hat einen ganz engen Draht nach oben zur Abteilungsleitung „Fauna“, der kriegt alles durchgesetzt, was er will. Der hat den Leiter „Fauna“ so dermaßen um den Finger gewickelt, dass der dieses System wahrscheinlich auch auf alle anderen Säuger-Systeme ausrollen will. Die werden auf uns hier nicht hören. Also was machen wir jetzt?“

FPFL: „Ich hab mir gestern Abend dann nochmal die Requirements angesehen und mal durchgerechnet. Wir müssen unser Erbgut über eine erhebliche Strecke transportieren. Ich habe da noch keine wirklich gute Idee, wie wir das bewerkstelligen wollen. Einer meiner Entwickler hat den – zugegebenermaßen nicht ganz ernst gemeinten – Vorschlag gemacht, wir könnten ja unser Erbgut über eine Außenleitung ausliefern. Mal davon abgesehen, dass wir so eine Lösung technisch noch gar nicht ganz überblicken, sähe ein Außenleitung auch ziemlich lächerlich aus, zumal die Kollegen vom Team MUSC ja bereits was sehr ansprechendes entworfen haben, was wir nicht gern mit so einem Schlauch verunstalten wollen.“

TL: „Hmm, Außenleitung… Was wäre die Alternative?“

FPFL: „Um eine solche Distanz zu überbrücken brauchen wir irgendwas. Wir könnten möglicherweise bestehende Extremitäten zweitverwenden.“

TL: „Welche?“

FPFL: „Die Finger zum Beispiel. Aber auch da haben wir technische Probleme. Die Erbgutdrüsen, wie wir sie bis jetzt geplant haben, liefern bis maximal an die Fingerspitze, aber das reicht nach unseren Berechnungen nicht aus, da fehlen immer noch ein paar Zentimeter. Außerdem würde die Übertragung nach unserem bisherigen Ansatz erheblich zu lange dauern, etwa sechs bis acht Stunden. Dazu kommt, dass die bestehenden Extremitäten zum Teil stark beansprucht werden, da kann also immer leicht was kaputt gehen.“

TL: „Also doch eine zusätzliche Außenleitung?“

FPFL: „Ich sehe im Moment kaum eine andere Möglichkeit. Das Problem: Wenn wir die Erbgutträger über eine solche Distanz transprotieren wollen, kommen wir mit unseren bisherigen Transportsystemen wir Peristaltik oder den üblichen osmotischen Mechanismen nicht weiter, weil das alles viel zu lange dauern würde.“

MUSC: „Was ist mit dem Herzmuskel und dem Blutkreislauf, könnte man da nicht was drehen?“

CUST: „Oh, da wäre ich ganz vorsichtig, das ganze System ist in sich so geschlossen, da würde ich keine Experimente mit machen. Man müsste ja zum Zeitpunkt der Übertragung kurzfristig andocken und danach wieder abdocken, was wegen der vergleichsweise hohen Drücke, die im ganzen Blutkreislauf verwendet werden, ein sehr gefährliches Unterfangen wären.“

FPFL: „Nein, wir werden den Blutkreislauf wohl nicht dafür verwenden können, auch wenn wir bereits daran gedacht haben, etwas ähnliches nachzubauen, quasi einen Muskel, der auf Anforderung das Erbgut in einer Flüssigkeit herauspumpt. Da stellt sich aber das nächste Problem: Um einen ausreichenden Druck aufbauen zu können, benötigen wir auf einen Schlag ein vielfaches von dem an Erbgut, was wir bisher geplant haben. Das können unsere Drüsen so schnell aber nicht produzieren.“

TL: „Können wir die nicht auf Halde vorproduzieren lassen und das Zeug irgendwo sammeln?“

FPFL: „Nein, die Erbgutträger halten sich bei Körpertemperatur nur begrenzt. Die würden einfach kaputtgehen, wenn wir die länger im Körper vorhalten würden.“

MUSC: „Mir fällt noch was ein:  Wie wollt Ihr denn – ganz praktisch gesehen – Euren Schlauch andocken? So wie sich mir diese Pläne vom Team Frau darstellen, könnt ihr den da nicht einfach reinbaumeln lassen.“

FPFL: „Das ist auch noch so eine ungelöste Frage, da gebe ich Dir vollkommen recht. Ich denke, wir müssen irgendeinen Knochen dafür verwenden.“

CUST: „Vergiß es, alle Knochen sind bereits mit festen Funktionen belegt und einen neuen kriege ich jetzt in der Kürze der Zeit auch nicht mehr genehmigt.“

TL: „Also mal eins nach dem anderen. Du sagst, dass wir unser Erbgut nicht auf Halde im Körper vorhalten können – dann eben ausserhalb des Körpers, wie wär’s damit? Ich mein, wir müssen unseren schönen Mann ja eh mit einem Schlauch oder sowas verunstalten, dann können wir doch noch ein Lager dadrunter hängen, oder?“

MUSC: „Also, das entstellt ja unseren Entwurf total, ich bin dagegen. Überhaupt, dass ist doch alles Murks, oder nicht?“

TL: „Murks hin oder her, wir stehen hier drei Wochen vor Go-Live, jetzt gefällt, was funktioniert, irgendwie funktioniert!“

MUSC: „Und wo willst Du das ganze Geraffel hinhängen? An meine schöne Männerbrust etwa?“

TL: „Keine Ahnung, wo wäre es denn am günstigsten?“

FPFL: „Naja, es sollte keine zu exponierte Stelle sein, das ganze ist ja doch recht empfindlich.“

MUSC: „Also ich find’s Kacke, echt jetzt!“

TL: „Ja, ich bin auch nicht begeistert, aber ich fürchte, wir haben keine andere Wahl.“

FPFL: „Möglichst in der Körpermitte vorne, das ist eine Stelle, die gut zu schützen ist, oder?“

CUST: „Also, die Standard-Schutzsysteme sehen ja vor, bei Gefahr eher den Rücken preiszugeben als die Vorderseite, von daher muss ich FPFL recht geben.“

TL: „Vorne also, in der Körpermitte, also am Bauch?“

MUSC: „Niemals! Dann schmeiß ich hin! Ich hab doch nicht zum Spaß so ein schönes Sixpack dahin gedrechselt, nur damit Ihr mir da so’n Scheiß dranhängt!“

TL: „Hmm, zwischen den Beinen?“

CUST: „Da liegt ja standardmäßig erstmal die Blase mit dem dazugehörigen Harnausgang.“

TL: „Wir haben da unten eh schon zwei Ausgänge, und jetzt soll da noch dieser Schlauch dazu? Wie soll denn da das Pinkeln aussehen? Das gibt doch ’ne Riesensauerei!“

CUST: „Könnte man nicht Blasenausgang und Schlauch kombinieren? Dann sähe das vielleicht nicht ganz so unaufgeräumt aus.“

MUSC: „Meine schönen Oberschenkel…“

FPFL: „Und was machen wir jetzt mit dem Andockproblem?“

TL: „Da werdet Ihr schon was finden, wir haben aber jetzt keine Zeit zu verlieren. Also, FPFL, Ihr macht weiter an der Außenleitungslösung, CUST kümmert sich um die Einbettung Harnleiter, MUSC, Ihr überlegt, wie wir das ästhetisch am unauffälligsten kaschiert kriegen. Wir treffen uns übermorgen wieder hier, dann sehen wir weiter.“

Von Maxim Loick

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