Nullfümwer Kannen Veltins

Im Getränkemarkt unseres Vertrauens gab es diese Woche die Nullfümwer Kannen Veltins im Kasten, das sind die, die in klein „Stubbi“ genannt werden, und seit ich so einen Kasten davon hinten im Müllhäuschen, wo die Bierkästen und die Mülltonnen stehen, stehen habe, muss ich erstens jeden Tag eine davon trinken und dabei jeden Tag an Dieter Welchering denken.

Dieter Welchering habe ich als den Chef von Welchering Transporte kennengelernt, er war zu diesem Zeitpunkt der Stiefvater von meinem besten Freund Joscha, der Bass gespielt hat bei Quia Chayenne, unserer sehr erfolgreichen Schülerband. Dieter hatte immer die großen Veltins-Kannen im Büro seines Transportunternehmens, das er zusammen mit Uli betrieb. Als Schüler sind Joscha und ich viele Touren für Welchering-Transporte gefahren, als wir dann den Führerschein hatten. Damals durften wir mit Klasse 3 auf Anhieb bis 7,5 Tonnen fahren und theoretisch auch noch Anhänger hinten dran. Das Büro von Welchering-Transporte war ein Stall oder so auf dem Knüverdarp in Ramsdorf/Westf., es gab ein langes Brett unter den Fenstern entlang, auf dem zwei sehr moderne Computer und ein Faxgerät standen. Es gab eine illustre Runde von Fahrern, ich erinnere mich aber namentlich nur noch an Bert, ca. 1,20 m groß, blonder Filz auf dem Kopf und idR Tüten im Mundwinkel, die ihm, hätte er sie nicht im Mundwinkel gehabt, vom Boden aus mindestens bis zur Schulter gegangen wären.

Dieter hatte auch eine legendäre Plattensammlung, alles Vinyl, alles rumpeliger 60er und 70er Rock, Joscha und ich fanden es gile. Wir haben Äonen damit zugebracht, das alles zu erkunden. Wir hatten auch beide lange Haare, denn wir waren ja die Hälfte von Quia Chayenne. Zwischendurch, nachdem mein Vater gestorben war, war der Knüverdarp sowas wie eine zweite Heimat für mich. Es war unkonventionell dort, es wurde geraucht und die Betriebsleitung von Welchering-Transporte hatte immer diese nullfümwer Veltins-Kannen und eine Tüte parat (aber ich habe gar nicht gekifft, weil ich das irnxwie nicht gut vertragen habe und Joscha hat keine Drogen genommen und noch nicht mal Alkohol getrunken, weshalb er immer den Fahrer für die Band machen musste). Dieter leitete einen Betrieb, aber nach erstaunlich menschlichen Maßstäben. Eines Tages fuhr ich eine Tour durchs Ruhrgebiet und hatte zwei Unfälle an einem Tag (nur Blech), und Dieter hat mich abends, als ich ihm die Unfallberichte in die Hand drücken musste, einfach in den Arm genommen und gesagt, dass Welchering-Transporte das alles regeln wird. So hat er das mit allen Fahrern gemacht, keine Ahnung, ob das am Ende der Grund war, warum es Welchering-Transporte heute nicht mehr gibt.

Sehr sehr viel später habe ich im Internet erfahren, dass Dieter zwischendurch in einem Ort namens Berlinchen Bürgermeister geworden ist und dort eine „Schmökerstuw“ eröffnet hat. Es gab ein Foto, auf dem er genauso aussieht, wie er Anfang der 90er aussah. Vielleicht muss ich mal dort hinfahren. Ich stelle mir vor, dass ich an der Tür klingele und in die Gegensprechanlage sage: „Hier ist Vader Abraham!“ und dass er dann weiß, dass ich das bin. Aber vielleicht weiß er das nicht mehr so genau. Als ich den Knüverdarp zuletzt besucht habe, ich habe keine Erinnerung daran, es muss ausgefaded sein, muss Dieter ungefähr so alt gewesen sein wie ich heute bin. Ich hoffe, dass ich ein bisschen was von ihm übernommen habe.

Zu den nullfümwer Kannen hat er immer gesagt: die sind in der Mitte so dick, da bleiben die länger kalt, die musste nehmen. Nehm ich. Jetzt gerade.

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Von Maxim Loick

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