Ein paar Sätze zum Fachgespräch „Wie sozial ist ökologische Nachhaltigkeit?“ der SPD am 15.11.2011 in Bonn

Am Dienstag, dem 15. November 2011 habe ich ein Gespräch der SPD zum Thema „Wie sozial ist ökologische Nachhaltigkeit?“ besucht, auf dem Podium saßen und sprachen

  • Ulrich Kelber, stellv. Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion für Klima & Energie
  • Bernd Schleich, Leiter Bereich Deutschland GIZ
  • Renate Hendricks, stellv. Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion NRW
  • Jens Martens, Geschäftsführer Global Policy Forum Europe

Eigentlich hätte ich es ja durchaus erwarten müssen, dass unter dem Titel „Wie sozial ist ökologische Nachhaltigkeit?“ hauptsächlich „klassische“ Nachhaltigkeits- und entwicklungspolitische Themen zur Sprache kommen, jedoch hinterließ mich die Veranstaltung mit einer gewissen Unzufriedenheit. Trotz der Hinweise von Renate Hendricks auf die wichtige Rolle der Bildung hier bei uns zur Förderung eines Bewusstseins ob der ungleichen Verteilung von Nahrungsmitteln, Wasser, Energieverbrauch und wirtschaftlicher Bedeutung und trotz der Ermahnungen von Jens Martens dazu, dass das althergebrachte Konzept der „Entwicklungshilfe“ nicht nur überholt, sondern auch weitgehend gescheitert ist, konzentrierte sich das Gespräch für meinen Geschmack weiterhin zu sehr auf „die Länder des Südens“ und was man „dort“ so alles tut und tun müsste und wie das Engagement der Friedrich Ebert Stiftung in Nordafrika denn nun zu bewerten sei.

Ausgehend von der Forderung Jean Zieglers (guckstu bei Jean Ziegler: „Der Hass auf den Westen“), dem „Süden“ endlich auf Augenhöhe zu begegnen und diese Länder mit ihren Bevölkerungen auf diplomatischer und wirtschaftlicher Ebene endlich einmal ernst zu nehmen, fehlt mir bei all diesen schönen Ideen und Ansätzen immer noch, dass wir uns in den Industrienationen vor allem als Teil eines Gesamtsystems verstehen müssen, dass dieses Gesamtsystem ziemlich Schlagseite hat und dass der Grund für diese Schieflage zu weiten Teilen im Lebensstil der Industrienationen zu finden sein dürfte.

Der unreflektierte Lebensstil in den Industrienationen hat m. E. zwei schwerwiegende Aspekte:

Erstens entstehen viele der Probleme erst durch das falsche Verhalten der Menschen in den Industrienationen: Wir verbrauchen all das schöne Erdöl, um damit über die Autobahn zu pesen, wir verbrauchen Unmengen Wasser für alles mögliche, wir lassen Lebensmittel in ungeahnten Mengen erzeugen, von denen zeimlich viele bereits auf dem Müll landen, bevor sie überhaupt einen Haushalt erreicht haben (und wenn sie dann am Ende doch dort angekommen sind, schmeißen wir nochmal einen nicht unerheblichen Teil ungegessen und ungenutzt weg), wir produzieren Unmengen von Fleisch, damit dieses statt 25 Euro das Kilo nur fünf Euro kostet etc. pp. und die ganze Leier von der Verschwendung der Ressourcen.

Zweitens haben wir dadurch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wie soll uns denn ein Schwellenland oder ein Entwicklungsland abnehmen, dass wir ihnen die Rettung und Lösung all ihrer Probleme bringen, wenn wir uns so verhalten? Da muss ich gestehen, da glaube ich uns selbst ja kein Wort und die letzten Klimagipfelergebnisse zeigen ja auch deutlich, dass weder wir selbst noch die Schwellen- und Entwicklungsländer uns auch nur für einen Pfennig über den Weg trauen. Aus berechtigten Gründen.

Was gedenkt der schöne Herr Pausanias (also ich) denn nun von seinen sozialdemokratischen Genossen zu fordern? Einerseits denke ich: Ja, geht dahin, geht nach Zentralafrika und guckt Euch alles ganz genau an und lindert was zu lindern ist, ich will auf keinen Fall, dass die sowieso schon stiefmütterlich behandelte Entwicklungspolitik noch weiter an Bedeutung verliert und die Budgets noch kleiner werden.
Andererseits denke ich, dass sozialdemokratische Politik sich dafür einsetzen muss, dass wir uns hier zu Hause erstmal richtig verhalten. Zu Recht wurde die derzeitige Politik der unsäglichsten Fehlbesetzung eines Ministerpostens seit… achwas seit! Herr Niebel setzt eine neue Baseline für Fehlbesetzungen von Ministerämtern! – als „Projektitis“ gegeißelt, aber für meinen Geschmack hebt sich das, was mir an diesem Abend vermittelt wurde, nicht deutlich genug davon ab. 

Ich finde Gespräche und Podiumsdiskussionen über Nachhaltigkeit immer dann besonders kraftvoll, wenn systemisch und ganzheitlich gezeigt wird, was besser gemacht werden kann. Dieser systemische/ganzheitliche Blick hat mir gefehlt an diesem Abend, ich habe in erster Linie nur Projekte wahrgenommen und Sachen, die sich als Engagement vor Ort bezeichnen lassen.

Ich hätte gern viel unmittelbarer auf das hier bezogene Fragen gestellt gehabt, z. B. wie man es schafft, dass Nahrungsmittel bei uns einen Preis haben, den sie haben müssen, wenn man sie nachhaltig und fair produziert? Und wie etabliert man diese Preise in unserer Gesellschaft? Wie schafft man es, dass man dabei die sozial und wirtschaftlich Benachteiligten nicht ausgrenzt? Wie kriegen wir es in unsere Köpfe, dass nicht 263PS einen langen Schwanz bedeuten, sondern ein möglichst kleiner persönlicher Carbon Footprint? Wie kriegen wir es hin, dass die Leute sich nicht mehr große Teile ihrer Gehälter in Form von überdimensionierten Dienstwagen auszahlen lassen, sondern sich ihr Geld aushändigen lassen und damit die Preise für nachhaltige Nahrungsmittel bezahlen? Wie kommen wir von diesem immer etwas sauertöpfischen und wie spaßbefreit daherkommenden Image weg, das nachhaltigem Verhalten immer noch anhaftet?

Von Maxim Loick

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