Bonn – Selbstbewusstsein vs. Schicksalsergebenheit

Shice, erst jetzt, ein paar Stunden vor der OB-Wahl in Bonn, fällt mir auf, warum ich Peter Ruhenstroth-Bauer so viel besser finde als die anderen beiden Kandidaten, da musste ich erst mit dem geschätzten Genossen Björn Uhde auf Facebook ein bisschen über die Wahl morgen sprechen. Und prompt fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Es geht bei dieser Wahl darum, ob Bonn sich seinem vermeintlichen Schicksal als Provinzstadt ergibt oder ob es sein Selbstbewusstsein wiedererlangen kann. Seit Monaten ist es ja genau das, was Peter in seiner Kampagne zu vermitteln sucht und ich raff es erst jetzt so richtig.

Bonn lebt derzeit von den Erinnerungen an die goldene Zeit, als es die kleine Bundesrepublik noch gab, alle finden die Erinnerung daran gemütlich und fühlen sich wohl damit. Dann zog die Bundesregierung nach Berlin, im Bonn-Berlin-Gesetz wurde festgelegt, welche Teile der Regierung, der Ministerien in Bonn verbleiben. Den Titel der Hauptstadt führt seitdem Berlin. Um aber zu verdeutlichen, dass tausende ministerielle Arbeitsplätze in Bonn verblieben sind (was Teil des Deals ist!), wurde für Bonn der Begriff „Bundesstadt“ erfunden. Die meisten finden den etwas lustig und können sich nichts weiter darunter vorstellen, irgendwie scheint das was mit der guten alten Zeit zu tun zu haben. Dem ist aber nicht so. Es geht hier um Arbeitsplätze, und zwar um ziemlich viele.

Der Weggang der Regierung war der erste Streich, der das Bonner Selbstbewusstsein hart getroffen hat.

Um den Weggang zu kompensieren, hat man begonnen, Bonn als diplomatischen Umschlagplatz zu etablieren, die UN hat hier knapp 20 Einrichtungen angesiedelt, Teil der Idee des Diplomaten-Bonn war auch der Bau des WCCB. Ein Riesenskandal, ein reiner Weltflop*), bei dem sich die SPD genauso wie alle anderen Parteien der lokalen Politik wie die letzten Trottel haben übertölpeln lassen. Seitdem hat Bonn Angst davor, sowas wie einer Großmannssucht zu erliegen.

Der WCCB-Skandal war der zweite Streich, der das Bonner Selbstbewusstsein hart getroffen hat.

Seitdem backen wir hier kleine Brötchen. Die SPD hat mit voller Wucht die Verantwortung für den WCCB Skandal übernehmen müssen, was sich in Hetzartikeln über Bärbel Dieckmann und in historisch miesen Kommunalwahlergebnissen Bahn gebrochen hat.

Der Stadtrat agiert seit Jahren kleinmütig, Entscheidungen werden lieber nicht getroffen, als dass man sich noch einmal so über den Tisch ziehen lässt. Die kommunale Politik ist erstarrt, der Begriff vom „Mehltau auf der Bonner Politik“ macht die Runde. Man beginnt, sich in Bonn mit dem Status der Provinzstadt abzufinden.

Ein Kämmerer aus Königwinter, Ashok Alexander Sridharan, lag letzte Woche in einer Umfrage des Bonner Generalanzeigers vorne, einer, „der Verwaltung kann“, so sagen viele hier. In meine Ohren hört sich das nach „einer, der Bonn endgültig zur Bedeutungslosigkeit abwickeln wird“ an. Einer, der den Menschen sagt wie es ist: Bonn ist eine unbedeutende kleine Stadt am Rhein, die sich mal nicht so aufspielen soll. Ein hübsches Rheinufer, ein paar japanische Touristen, die sowieso kommen, weil Beethoven hier geboren wurde, das ist Bonn, damit kann man ja auch zufrieden sein und alles andere ist Großmannssucht.

Auf dem Unterbezirksparteitag der SPD am 18. April 2015 hat Peter Ruhenstroth-Bauer, frisch erkorener OB-Kandidat meiner Partei, eine Rede gehalten und bereits da gesagt: „Bonn kann mehr.“ Er hat bereits da darauf hingewiesen, dass wir nicht nur UN-Standort sind, dass wir nicht nur drei DAX-Konzerne am Ort haben, dass wir nicht nur ein exzellenter Wissenschaftsstandort mit Uni und Caesar sind – er hat darauf hingewiesen, dass wir hier eine überaus bemerkenswerte Stadtgesellschaft haben. Student*innen, Diplomat*innen, Leute bei Start-ups wie true fruits und Manager*innen bei Post, Telekom und Postbank**). Dass wir einen bemerkenswerten Mittelstand haben. Er hat darauf hingewiesen, dass „Bundesstadt“ vielleicht ein lustiges Wort ist, dass daran aber tausende ministerielle Arbeitsplätze hängen. Und er hat darauf hingewiesen, dass an diesen tausenden ministeriellen Arbeitsplätzen weitere tausende Arbeitsplätze in Stiftungen und nachgelagerten Organisationen hier am Ort hängen.

Und er hat etwas gesagt, was mir erst jetzt – ich Trottel! ich langsam denkender Mensch! – aufgeht:  Er hat darauf hingewiesen, was die Mischung aus solchen hochqualifizierten, hochambitionierten und hochmotivierten Menschen für ein Potenzial in sich trägt. Seit Monaten erzählt er davon, dass er die Möglichkeiten der Stadtgesellschaft einbeziehen will, dass er die Akteur*innen zusammenbringen will, damit Bonn sein Potenzial nicht länger verschenkt. Und ich habe es nicht kapiert, fast sechs Monate lang.

Was er meint ist: Lasst uns der Stadt ihr Selbstbewusstsein zurückgeben. Hier geht einiges. Hebt die Köpfe und seht Euch um – da stehen Partner*innen für wisschenschaftliche, ökonomische und soziale Kooperationen direkt neben Euch. Hört auf, in Angst und falsch verstandener Demut Euer Potenzial zu verschenken***).

Peter erzählt uns seit sechs Monaten etwas von „intelligentem Sparen“, was ich so erstmal gut finde. Was unsere politischen Gegner als Wischiwaschi abtun. Aber heute ist mir klargeworden, dass das, was Peter mit intelligentem Sparen meint, genau das ist: Gib Dein Potenzial nicht preis, Bonn! Nutze es!

Es gibt keinen Grund, dass wir uns weiter „Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland“ nennen sollten, denn das sind wir nicht. Es gibt aber gute Gründe, dass wir „Bundesstadt“ nicht witzig, sondern ernst meinen. Es gibt gute Gründe, dass wir uns zugestehen, mehr zu sein als nur eine Provinzstadt am Rhein. Es gibt keinen Grund, der Großmannssucht anheim zu fallen. Es gibt aber tausende – und wenn ich richtig informiert bin ca. 310.000 – Gründe, warum Bonn sich nicht in sein vermeintliches Schicksal ergeben sollte. Und ich glaube, dass Peter Ruhenstroth-Bauer uns dieses gesunde Selbstbewusstsein zurück geben kann. Wenn er das bei mir geschafft hat, dann kann er das bei Euch auch. Und bei der Bonner Wirtschaft. Und bei der Bonner Wissenschaft. Und bei der Bonner Verwaltung. Und bei der Bonner Politik, fraktionsübergreifend****).

Und das können Tom Schmidt und Ashok Alexander Sridharan nicht. Das kann nur Peter. Deswegen wähle ich ihn (was ja das mindeste ist), aber das ist auch der Grund, warum ich Euch ständig mit seinen Fotos bei Twitter und Facebook belatschere. Ich bitte das zu entschuldigen und ich bitte darum, ihn zu wählen.

Epilog

Anyway, zerlegt meinen Artikel, schreibt flammende Pamphlete für die anderen Kandidaten, oder folgt meinen Überlegungen blind – nur erzählt Euren Freund*innen und Bekannten von der Bonner Politik und geht the fuck morgen wählen! Und dann geht in eine Partei und gestaltet diese Demokratie mit (am besten natürlich in der SPD).


*) Inzwischen ist das WCCB übrigens eröffnet und ziemlich gut gebucht. An der erfolgreichen Fertigstellung haben ebenfalls alle Parteien mitgewirkt, auch und vor allem die SPD, ohne deren OBs Bärbel Dieckmann und Jürgen Nimptsch das Ding heute wahrscheinlich eine Bauruine mitten in der Stadt wäre.

**) Wenn ich mir angucke, wie die Bonner Bevölkerung die Spacken von BOGIDA bereits im Dezember 2014 vom Hof gebuht hat, so dass diese Bonn als einen der ersten Orte ihrer sog. Spaziergänge aufgegeben haben und wenn ich mir angucke, wie hilfsbereit die Bonner*innen mit den Vertriebenen in den Bonner Flüchtlingsunterkünften umgehen, dann ist mir ziemlich egal, wie gebildet die sind und wo die arbeiten. Dann ist das einfach ziemlich stark.

***) Nun ist verschenken ja an sich ein positiv besetzter Begriff, was aber Teil des Problems ist: Bonn verschenkt sein Potenzial und glaubt, dass es damit richtig und positiv handelt. Ich glaube das nicht. Ich glaube, dass Bonn sein Potenzial verschleudert, aber „verschleudern“ träfe nicht die Gefühlslage der Bonner*innen.

****) Dass er fraktionsübergreifend Ziele erreichen kann, hat er ja auch bereits in seiner Tätigkeit als Staatssekretär bewiesen. Einer, der ein damals so undenkbares Konzept wie das des Elterngeldes mit ersinnt und auf den Weg bringt, so einer hat Erfahrung.

Von Maxim Loick

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