Die Biofleisch-Challenge

Biofleisch-Challenge, was soll das?

Seit Anfang Februar mache ich einen Versuch, den ich Biofleisch-Challenge nenne. Das bedeutet, dass ich nur noch Biofleisch kaufen möchte. Das schließt alle Einkäufe in Supermärkten und Geschäften und alle Restaurantbesuche ein. Ich sage hier „kaufen“, und nicht „essen“, weil es Fälle gibt, in denen ich auch weiterhin konventionelles Fleisch essen werde.

Ich möchte durch die Biofleisch-Challenge am eigenen Leib erfahren, ob ich durch den Verzicht auf konventionell produziertes Fleisch miesepetrig werden muss oder ob eine Beschränkung auf Biofleisch auszuhalten ist.

Ich möchte bewusster Fleisch essen und den Verzehr von Fleisch, das einem quasi untergejubelt wird, vermeiden. Muss ich zum Beispiel eine TK-Pizza mit Formvorderschinken essen, wenn ich genauso gut auch eine ohne Fleisch nehmen kann? Beim Verzehr  einer TK-Pizza ist es m. E. nicht entscheidend, ob dieser Schinken nun da drauf liegt oder nicht, denn eine TK-Pizza esse ich nicht, weil ich mir einen hohen kulinarischen Genuss verspreche, sondern weil ich schnell was im Bauch haben will, weil Fußball gleich anfängt.

Wenn umgekehrt jedoch jemand für mich kocht oder mich einlädt, esse ich auch Nicht-Biofleisch. Was ist der Grund für dieses „Hintertürchen“? Ich halte das gemeinsame genussvolle Essen für ein hohes Gut menschlicher Kultur und durch mahnende Fragen wie „Ist das auch Biofleisch, was Du da gekocht hast?“ sehe ich solch ein Essen zu stark beeinträchtigt. Ich möchte schließlich mit meinen Freunden eine schöne Zeit verbringen und sie nicht belehren oder zu irgendwas bekehren. Wenn sich jemand hinstellt und sich für mich Mühe macht, möchte ich nicht daran herummäklen. Bei dem, was für mich zubereitet wurde, ordentlich reinzuhauen ist für mich eine Geste an den Koch: Bei Dir fühle ich mich wohl.

Wenn ein Stück Fleisch erstens hervorragend hergestellt wurde, indem das Tier vernünftig gehalten und mit gutem Futter gefüttert wurde, wenn das Fleisch mit Hingabe zubereitet wurde und es hervorragend schmeckt, dann ist dieses Tier nicht umsonst gestorben. Auf der TK-Pizza schon.

Was ist daran die Challenge?

Die erste Frage, die ich mir gestellt habe: Wenn jemand so gern Fleisch mag wie ich, hält der das aus? Bekommt man nicht irgendwann so einen Heißhunger auf einen dicken Burger oder ein Gyros Komplett, dass man alle guten Vorsätze fahren lässt?

Die zweite Frage: Ist Biofleisch nicht so teuer, dass man darüber arm werden muss?

Und die dritte Frage, die sich auch jedem Vegetarier stellt: Was isst man unterwegs? Häufig ist die einzige Alternative eine Portion Pommes Mayo, weil an allem anderen irgendwo doch noch ein Würfelchen Speck dran ist, der eben kein Biofleisch ist.

Meine bisherigen Erfahrungen sehen so aus: Ja, man bekommt ab und zu einen unwiderstehlichen Heißhunger auf Fleisch. Bisher habe ich das dadurch abgewendet, dass ich sabbernd zum Biometzger gelaufen bin und mir was gekauft und dann gebraten habe. Der erste Punkt ist also handlebar.

Die Kosten dafür sind tatsächlich signifikant höher, beim Angrillen dieses Jahr habe ich – zumindest gefühlt – doppelt so viel gezahlt wie für das konventionell hergestellte Fleisch. Aber auch das hält sich im Rahmen, denn als Konsequenz esse ich nun weniger Fleisch, das aber dann umso bewusster und mit umso größerem Genuss.

Einzig der dritte Aspekt macht mir derzeit sehr zu schaffen: Was essen, wenn man nicht zu Hause ist? Was essen, wenn man mit den Kollegen in der Mittagspause zu McDonald’s, in die Pommesbude oder zum Chinesen geht? Hier stellt sich die Challenge tatsächlich als Herausforderung dar, denn McDonald’s als Quasi-Vegetarier macht gar keinen Spaß, das Angebot beschränkt sich auf den Veggie-Burger und Pommes – sogar an den Salaten ist fast immer irgendein Fleisch, von dem ich annehme, dass es konventionell hergestellt wurde.

Oder die Pommesbude: Es bleibt fast nur die erwähnte Pommes Mayo, alles andere ist Gyros, Wurst oder Geschnetzeltes. Sogar wenn man das vermeintliche Glück hat, dass es ein reichliches Gemüseangebot gibt, ist dieses häufig mit Speck oder Schinkenstreifen versetzt; an Bratkartoffeln ist immer Speck (was ja auch richtig ist, aber sollte halt Biospeck sein!)

Beim Chinesen: Hier gibt es ein etwas größeres vegetarisches Angebot, meist auf der Basis von Tofu. Tofu nun wieder ist ja nicht so meins, kein eigener Geschmack, fragwürdige Konsistenz. Aber es geht rein und bleibt auch drin. Frühlingsrolle: Hühnchen drin. Suppe: Hühnchen drin. Was bleibt, sind die gebratenen Nudeln mit Gemüse und Ei.

Ich halte derzeit noch tapfer durch, aber in der Tat ist dieser letzte Punkt derjenige, der mich am meisten herausfordert. Ich war sogar schon so weit, mich von den Kollegen einladen lassen zu wollen und durch mein Hintertürchen zu gehen, aber es geht mir ja nicht darum, mich selbst zu betrügen. Eine kleine Nebenanekdote dazu: Die Kollegen haben versprochen, sie würden es nicht meiner Frau sagen, wenn ich in der Pommesbude heimlich doch eine Currywurst äße. Auf meinen verständnislosen Blick erntete ich verständnislose Blicke zurück, offenbar werden Versuche, seine Gewohnheiten zu ändern, immer als Wette mit der Partnerin oder dem Partner gestartet. Was mich nun wieder verständnislos zurücklässt.

Zwischenergebnis des bisherigen Versuchs

Wenn man sich darauf reduziert, nur noch Biofleisch zu essen, isst man tatsächlich weniger Fleisch. Das liegt zum einen an den Kosten, die exorbitant höher liegen als für konventionelles Fleisch (was ja keine neue Erkenntnis ist), zum anderen aber auch an der eingeschränkten Verfügbarkeit von Biofleisch.

Das Mittagessen mit den Kollegen schlägt mir tatsächlich auf’s Gemüt, weil nahezu das ganze Angebot von Fastfood und low-price Restaurants auf konventionell hergestelltem Fleisch basiert. In diesem Punkt muss ich die eingangs gestellte Frage, ob ich durch die Biofleisch Challenge miesepetrig werde, eindeutig bejahen. Das ist schlecht. Sehr schlecht. Und jetzt?

Nächste Schritte

Bevor ich die Challenge im dritten Punkt als gescheitert ansehe, gilt es, eine Alternative für mein Mittagessen bei der Arbeit zu finden – muss ich also tatsächlich von zu Hause mitgebrachtes in die Mikrowelle stellen? Das wäre eine Möglichkeit. Heißt aber auch, dass ich vorkochen muss und mehr Planung erforderlicht ist. Werde das in den nächsten Wochen mal testen.

Völlig offen ist natürlich auch noch die Frage zu den Standards der Biofleischerzeugung. Im bisherigen Versuch habe ich mich darauf beschränkt, entweder beim lokalen Bio-Metzger oder Produkte mit Bio-Siegel zu kaufen, ohne mich nun im Detail mit den Standards der lokalen Biometzger genauer beschäftigt zu haben oder die gekauften Bio-Siegel genauer unter die Lupe zu nehmen. Auch das plane ich in den nächsten Tagen einmal zu tun.

Von Maxim Loick

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7 Kommentare

  1. Ich mache diese „Challenge“ wie du sie nennst nun schon ca. 1 Jahr und fahre sehr gut damit. Iss doch Mittag einfach nichts mehr Auswärts und schmier dir ein paar Stullen aka Fettbemmen. Abends dann (selbst) gekochtes essen, mit oder ohne Fleisch. Eine vegetarische Kost ist außerhalb der eigenen vier Wände auch im kommen, wenn du mal die üblichen Verdächtigen Chinese, McD, BK etc. pp wegläßt. Heißt also: Ab zum Bäcker, Salate im Sommer ist auch fix gemacht etc.

    Empfehle ich dir auch die Lektüre „Tiere essen“ von Foer. Bringt dich sogar vom Biofleisch weg. ;)

    1. Hi Stefan,

      schön Dich hier zu sehen, bist mein erster Kommentierender!

      Bin mit einer Vegetarierin verheiratet und habe während meiner Studentenzeit mit einem Vegetarier die WG geteilt.
      Gerade mit meinem damaligen Mitbewohner habe ich diverse Diskussionen zum Thema geführt, die mich aber nie gänzlich vom Fleischkonsum abbringen konnten. Damals wie heute wusste ich noch nicht so recht, wie all diesen guten und richtigen Aspekten begegnen, die mein Mitbewohner angeführt hat. Vielleicht liegt es daran, dass noch kein vegetarisches Essen es vermocht hat, mir ein derart heimeliges Gefühl zu geben wie ein mit viel Getue und Brimborium zubereitetes Essen mit Fleisch.

      Ein Beispiel: Die letztjährige Weihnachtsgans. Bereits vier Wochen vorher beim Metzger meines Vertrauens bestellt, dann am Heiligen Abend abgeholt (unter den anerkennenden Blicken älterer Damen an der Fleischtheke, „Bereiten Sie die selber zu?“), mit der Pinzette die letzten Federkiele auszupfen, den Vogel waschen und abtupfen, mit viel Dampf und Gloria die Füllung zubereiten, dabei vehement auf die Gesetzmäßigkeiten meiner Mutter bestehen („Nur Äpfel, Beifuß und ein paar Maronen! Sonst nichts!“). Eine Kiste Wein dazu kaufen. Das Biest ewig im Ofen backen, der Duft, der das ganze Haus durchzieht. Die siebenunddreißig Liter Fett, die abgeschöft werden müssen, das Zubereiten der Soße, das Servieren und die geweiteten Augen der Gäste, die eigene kritische in Augenscheinnahme, ob auch alles so schmeckt, wie gedacht. Das alles kriege ich mit noch so aufwendig zusammengefummeltem Morchelschaum an Gemüsebratling nicht hin. Es muss irgenwie eine Melange aus dem Fleischgeschmack und dem Respekt vor dem Tier, das für so einen Abend sein Leben gelassen hat, sein.

      Da muss ein Hund lange für stricken, bis er mir so ein durch und durch gutes Gefühl gibt wie diese Gans.

  2. Maximaler Respekt! Ich bin schon vor 15 Jahren eine Zeit lang täglich an einem Hof vorbeigefahren, wo die Schweine sich gemütlich auf der Wiese gesuhlt haben. Immer wieder habe ich mir gedacht: „Klingel doch mal an und frag, wo/wie er sein Fleisch vermarktet“. Doch getan habe ich es leider nie. Vielleicht wird mich Dein Beitrag anregen, daran wieder anzuknüpfen.

    Noch ein Gedanke am Rande: Wenn man richtig konsequent „politisch inkorrekte“ und/oder ungesunde Lebensmittel vermeiden wollte, müsste man z.B. sogar jede TK Pizza Margarita ablehnen, weil die Tomaten wahrscheinlich aus spanischen Großplantagen kommen, wo die Bewässerung den Wasserhaushalt der Region massiv zerstört und auf denen afrikanische Tagelöhner ohne Schutzausrüstung Pflanzenschutzmittel ausbringen müssen … die Liste ließe sich endlos weiterspinnen.

  3. Ich leb jetzt schon seit bestimmt 5 oder mehr Jahren so. Fleisch kaufe ich jeweils beim befreundeten BiolandSchweine- bzw. DemeterRinderbauern. Ich nehme dann größere Mengen ab und friere die ein. Grundsätzlich ist mein Fleischverbrauch aber relativ gering. Mittags gibts Salat oder Brote, immer viel Obst, und abends koch ich halt was. Zum Kochen lass ich mir Bio-Gemüse in einer Abokiste liefern. Da ich nichts umkommen lassen möchte, zwinge ich mich so also dazu, frisch zu kochen.

    Wenn dann ausnahmsweise unterwegs mal Nicht-Bio angesagt ist, hab ich kein Problem damit. Man muss ja nicht alles so verbissen sehen, wenn die Grundlage ein bewußter Umgang mit seinen Lebensmitteln ist.

    Wie bei allen Sachen, Gewohnheiten umstellen dauert seine Zeit. Inzwischen schmeckt mir viel von dem Fertigzeugs nicht mehr und ich zieh meine eigenen Kochkünste vor. Ein Projekt scheitert nicht daran, wenn man mal NichtBio ißt, sondern wenn man die Ausnahme täglich zuläßt.

    Wie wär es denn mit Sushi für unterwegs?

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