Wie ich zwischen Zustimmung und Ablehnung oszilliere

Vorab: Ich werde mein Kreuz für oder gegen den Koalitionsvertrag nicht vor der Diskussion machen, die wir mit der SPD Beuel für Freitag anberaumt haben. Bis dahin erlaube ich mir, zwischen Zustimmung und Ablehnung offen zu schwanken.

Ich finde den Koalitionsvertrag shice. Zuviel wird mir der Fokus auf Ökonomie und wirtschaftliche Verwertbarkeit gelegt, zu wenig auf Lebensgestaltung und die gerechte Organisation menschlichen Zusammenlebens. Im Vertrag findet Europa kaum statt, die Energiewende wird nach meiner Auffassung sogar zurückgedreht, über die Vorratsdatenspeicherung ist alles falsche gesagt und missbraucht und ein zentrales europäisches Grenzregister ist nun auch nicht gerade die adäquate Reaktion auf die jüngsten menschlichen Katastrophen vor den Grenzen der EU. Das ganze Werk atmet den Geist bangbüxiger Konservativer, die ihre Arme schützend um ihre Taler legen und verkniffenen Blicks „meins!“ zischen.

Wenn es nur darum ginge, wäre ich nicht hin- und hergerissen, mein „Nein!“ schallte fest und laut fernhin.

Leider muss ich aber den Fokus weiter richten: Wir™ (also die SPD) haben nur 25,9% erreicht. Allen Aussagen zum Trotz, wir hätten inhaltlich überzeugt, müssen wir den Tatsachen ins Auge sehen: Unser Mandat ist dünn. Und die GenossInnen haben nicht schlecht verhandelt, wir sprechen hier über mindestens zwei Durchbrüche, die SozialdemokratInnen den Versteinerten abgerungen haben: Mindestlohn und Doppelte Staatsbürgerschaft. Ja, ich weiß, der Mindestlohn ist nicht ganz so undurchlässig, wie wir das haben wollten, gleiches gilt für die Doppelte Staatsbürgerschaft. Aber ich bin alt genug, um anerkennen zu können, dass das, auch wenn es sich nach wenig anhört, ganz schön viel ist und dass man das nicht einfach so wegwerfen darf – immer vor dem Hintergrund, dass die WählerInnen uns nicht mehr als 25,9% ihrer Stimmen gegeben haben. Hier wird, finde ich, einmal mehr evident, dass Wählen nun mal zählt. Und um das auch noch einmal klar zu haben: Die SPD verrät hier nichts von ihren Idealen und die SPD begeht auch keinen Wahlbetrug – das täte sie, wenn sie diesen Vertrag mit dem Mandat von 42% der WählerInnen in einer rot-grünen Koalition vorgelegt hätte. Ich möchte noch einmal eindringlich darauf hinweisen, dass der oben beschriebene Geist des Konservativen eben nicht durch die SPD in diesen Vertrag gelangt ist, sondern durch die Union mit ihren 42%.

Und nun stehe ich da, ich armer Sozi: Soll ich Ja sagen und für Mindestlohn und Doppelte Staatsbürgerschaft eine Pforte öffnen, die sich nicht wieder schließen lässt (\o/), muss ich mich dem WählerInnenvotum beugen, das zu großen Teilen eben genau die Besitzstandwahrung gewählt hat? Oder bin ich nur meinem Verständnis von Gerechtigkeit verpflichtet, das von den sehr sehr Reichen fordert, dass sie der Gesellschaft endlich zurückgeben, was sie ihr schulden? Und dann sagen die „Ha, mir doch egal, dann eben Neuwahlen und absolute Mehrheit für uns“?

Ich werde weiter darüber nachdenken.

Von Maxim Loick

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