Gerungen wird in der SPD

Jetzt hat die SPD doch knapp für den von der Antragskommission modifizerten Antrag zur Vorratsdatenspeicherung gestimmt. Das ist erstmal eine Niederlage für alle, die sich dafür eingesetzt haben, die Delegierten vom Antrag der Jusos zu überzeugen. Aber die Tür ist immer noch nicht zu, das Thema wird nun an die Bundestagsfraktion verwiesen.

Das bedeutet: Die netzpolitisch Aktiven in der SPD müssen weiter gegen diese unsägliche VDS kämpfen und das werden sie – so wie ich sie in den letzten Tagen kennengelernt habe – mit viel Enthusiasmus tun. Das werden sie auch gegen alle Schelte und wider allen Geätzes vieler Piraten tun, daher zolle ich diesen Engagierten den allerhöchsten Respekt. Und was ich nicht ganz verstehen kann: Warum erfahren sie dabei so wenig Solidarität und Unterstützung durch die Piraten? Gehöhne und Gefeixe aus dieser Richtung, von Leuten, die es sich meiner Meinung nach ein wenig zu einfach machen, weil sie dem Konflikt, der Überzeugungsarbeit, die nun einmal geleistet werden muss, schön aus dem Weg gehen.

„Da, ein Doofer! Der versteht ja nonimma das Netz! HAHAHA! Was für ein Idiot! Der will VDS, der folgt seinen bescheuerten Reflexen, weil einer Kinderpornos gesagt hat, was für eine arme Pfanne! Und da, noch so einer! Und hier wieder einer! Und alle in der SPD! Da ziehe ich mir doch lieber mit meinen schlauen Kumpels einzwei Club-Mate rein, spiel mir anne Füße und guck mir das ganz genüsslich an, wie die Deppen, die echt mit ALLEN reden wollen, mal wieder alles vor die Wand fahren.“

Nach dem, was ich in den letzten Tagen beim Bundesparteitag der SPD mitgenommen habe, glaube ich, dass gerade die SPD genau der Ort ist, an dem solche Kämpfe gewonnen werden müssen (und gewonnen werden können) und ich bin fest davon überzeugt, dass eine Entscheidung gegen die VDS nur dann wirklich Gesetzeskraft erlangen wird, wenn sie im Bundestag mit einer überzeugten SPD durchgesetzt wird. Und vor diesem Hintergrund kann ich es nicht verstehen, wie jemand die SPD „enttäuscht“ verlassen, sich über die vermeintliche Blödheit der anderen mokieren und dann das Feld diesen angeblich Blöden überlassen kann. Es muss gerungen werden, so oder so, und gerungen wird in der SPD, wir trauen uns das.

(nehme einen Schluck Wasser)

Und wie kommt es überhaupt, dass die bei der SPD alle so dumm sind? Wahrscheinlich sind sie das auch gar nicht. Meine Vermutung ist, dass die, die die Tragweite der VDS nicht überblicken, einfach einen anderen Fokus im Leben haben. Die benutzen vielleicht gar keine Computer (schlimmes Pack!), die machen sich mit Zettel und Stift und handgemalten Plakaten für Familienpolitik stark. Oder die kennen sich mit Wirtschaftspolitik aus (das haben sie aus Totholzmedien gelernt, Deppen!). Die interessieren sich nicht für das Netz, weil sie sich für andere Dinge interessieren (unfassbar, wie können die sich NICHT für das Netz interessieren?! Wo das doch alles so schön apple da ist!) – aber in der Summe tritt bei der SPD eine Themenbandbreite zu Tage, da ist die VDS nun mal nur ein Randthema.

Ich mach mal kurz einen Witz: Steht ein eingemummelter Sozialdemokrat bei minus zwölf Grad im Schneesturm und hat keine Handschuhe an. Kommt ein nackter Pirat mit einem Fingerhut am Daumen vorbei: „Wie panne kann man sein, bei dem Wetter seine Hände nicht zu schützen?“

So, jetzt ist aber genug gerantet hier. Ich will die Piraten ja eigentlich gar nicht diskreditieren, und ihre Witze sind meist besser als meine! Und ich ärgere mich auch darüber, dass die  Entscheidung zur VDS noch nicht heute gefallen ist.

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Kategorisiert in Politik, SPD

Von Maxim Loick

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Ein Kommentar

  1. Da machst du es dir aber nun auch wieder zu einfach:

    In der SPD wird ja nun auch nicht erst seit 2008 für Freiheit im Netz gerungen. Lang bevor der Arbeitskreis Netzpolitik den Scherbenhaufen der letzten SPD-Fraktion aufkehren musste (#zensursula, um nur ein Schlagwort zu nennen), gab es da den Onlinebeirat. Lang bevor die SPD sich in Persona ihres langjährigen fachpolitischen Sprechers diskreditieren und sich so von der „Partei der vermeintlichen inneren Sicherheit“ vorführen lies waren genug „Sicherheit“sgesetze im Fahrwasser beispielsweise von 9/11 verabschiedet, das es für mehrere Überwachungsstaaten reichen würde. Und zu alldem hat die SPD-Fraktion zuletzt in der unsäglichen Großen Koalition und zuvor unter Rot-Grün beigetragen, und zwar eine erheblich größere, mit mehr Fachleuten ausgestattete. Das sind Profis, wie der große Teil der Delegierten kraft ihrer weiteren Ämter. Wie sehr die mit allen Wassern gewaschen sind konnte man an den Redebeiträgen zur Vorratsdatenspeicherung ablesen, insbesondere dem asozialen Argumentieren von Oppermann – und ich schreibe das jetzt so deutlich wie im ersten Moment als ich seine „Blutgrätsche“ in die Netzpolitik gehört (Vergleich selbstbestimmte Offenlegung in sozialen Netzwerken gegenüber staatlicher Überwachung) und ihm gegenüber auch so kommentiert habe – und dem Nordrhein-Westfälischen Innenminister. Das sind Berufspolitiker, die nicht die selben Maßstäbe wie du, das Verfassungsgericht oder ich an Netzpolitik anlegen, sondern einzig an Machterwerb und -erhalt interessierte Mitmenschen. Dass ist legitim, aber es dient nicht der Sache. Schlimm ist das die SPD größtenteils in der Opposition hieran mit Kompromissen mitwirkt, die keine sind. 3 Monate, 12 Monate oder 20 Jahre: Gespeichert ist gespeichert, im Netz ist im Netz. Das muss nicht systematisch ausgenutzt werden, es reicht das es kann – und dann kann das mit noch so fiesen Endgegnern (1) unterfüttert werden: Scheiße stinkt, auch wenn man sie rot übermalt.

    Ich gewinne langsam den Eindruck, das unserer Partei ein weiteres Grün getünchtes basisdemokratisches Instrument gut zu Gesicht stünde, nämlich die Trennung von Amt und Mandat. Allein es fehlt mir der Glaube, das sich das Prä (Schreibt man das so?)
    so durchsetzen ließe.

    Solidarische Grüße

    Udo

    (1) (parental advisory: zynism follows) denkbares saisonales worst case scenario für die „InnenExperten“: Weihnachtsmann mordende, Kinderpornographie liebende Terroristen die ihre Frauen vor aller Leute verprügelnd Tiere quälen und den Hunger in Afrika durch wirtschaftliches Handeln beförden

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