Bundesparteitag der SPD: Tag 2 (Protokoll vom 05.12.2011)

Heute morgen kam ich erst um kurz nach neun zum Parteitag. Kurz nachdem ich eingetroffen war, begann auch sogleich François Hollande, der sozialdemokratische Präsidentschaftskandidat in Frankreich, mit seiner Rede. Leider war meine Datenverbindung nicht stabil genug für den Live-Stream mit der dt. Übersetzung, so dass ich mich auf meine dürren Schulfranzösischkenntnisse besinnen musste. Die Rede scheint ganz gut gewesen zu sein, zumindest gab es Standing Ovations für François Hollande.

Nach Hollande trat dann der SPD Parteivorsitzende Sigmar Gabriel ans Rednerpult und fackelte eine wahrhaft fulminante Rede ab (hab ich diese Formulierung nicht eigentlich gestern schon verwendet?!). In dieser Rede, sehr emotional und mitreißend geführt, vertrat Gabriel unglaublich viele Standpunkte sozialdemokratischen Selbstverständnisses, die mich noch einmal darin bestärkten, dem richtigen Club beigetreten zu sein. Den Effekt auf mich war gleichzeitig, in meinen wankelmütigen Ansichten der Realpolitik wieder größeres Gewicht beizumessen. Und das schöne dabei ist, dass es sich immer noch richtig und wahr anfühlt (ein kleinbisschen so, wie Jürgen Klopp beim BVB auch grade alles richtig macht).

Ein paar Details aus der Rede Gabriels: Heftige Watschn für die unsägliche Herdprämie der derzeitigen Bundesregierung, Besinnung darauf, was soziale Marktwirtschaft ausmacht, Bändigung des entfesselten Kapitalismus und Positionierung der SPD links von der Mitte. Und endlich hat mal einer den Ball angenommen, gestoppt und weitergespielt: „Wer Visionen hat, der soll nicht zum Arzt gehen, der soll wieder zu uns kommen!“ Und das finde ich entschieden auch.

Danach wurde Gabriel, wie erwartet, mit großer Mehrheit als Parteichef bestätigt.

Interessant fand ich, dass Gabriel in der Kanzlerkandidatenfrage zum einen zu Gelassenheit aufgerufen hatte, zum anderen aber auch von einer möglichen Kanzlerkandidatin sprach. Als dann wenig später Hannelore Kraft mit SED-würdigen 97,2 % der gültigen Stimmen zur stellv. Vorsitzenden gewählt wurde, habe ich für mich einen kleinen Fünfer zur Seite gelegt, um ihn bei britischen Buchmachern mal ergebnisoffen zu investieren. Eine sozialdemokratische Kanzlerin – ein nicht unattraktiver Gedanke, aber nun gut, der Sigmar sagte ja, ich solle gelassen bleiben.

Nach diesen (und etwa dreitausend weiteren Wahlen), wurde dann kurz und knackig über die Anträge zur Netzpolitik abgestimmt. In knapp 10 Minuten hat die SPD die gesetzliche Netzneutralität und die Grundversorgung mit Breitbandzugängen beschlossen. Kleine Randnotiz: Anwesende Piraten hielten das Thema für nicht ausreichend gewürdigt. Aber was willst Du gegen eine einstimmige Annahme der Anträge anstänkern? Vielleicht kann sich der stänkernde Pirat nicht vorstellen, dass 95% seines politischen Horizonts in einer Volkspartei nur eine Randnotiz sind und nicht länger als 10 Minuten verhandelt werden? Aber andere Piraten haben – auch das sei fairerweise vermerkt – die Reichweite und das positive Signal dieses Beschlusses positiv gewürdigt, so ist’s ja nicht ;-)

Zwischen allen diesen Wahlen und Anträgen immer wieder die bange Frage: Wann wird über die VDS abgestimmt? Erst hieß es: morgen ab 12:00, später dann heute abend noch um 19:30… dieses Hickhack ist m. W. derzeit immer noch nicht beendet. Zuletzt hieß es dann wieder morgen.

Anyway, danach trat Andrea Nahles an, um sich als Generalsekratärin bestätigen zu lassen. Rede, Wahl, 73,2%, besser als erwartet hieß es.

Schließlich brachte dann Manuela Schwesig den Leitantrag zur Familienpolitik ein. Mit ihrer Rede zog sie mich nahezu in ihren Bann, und auch wenn @bosch mich möglicherweise in einem seiner nächsten Blogbeiträge als Jubelperser brandmarken mag: Ich musste Manuela Schwesig in allen Punkten zustimmen und hege die berechtigte Hoffung, dass sie eine Politik auf den Weg bringt, mit der eine Familien- und Erwerbstätigkeitsplanung für alle möglich wird, in der Frauen und Männer die gleiche Zeit für ihren Job, die gleiche Zeit für ihre Familie aufwenden, und die gleiche Anerkennung für das, was sie in Job und Familie leisten, erfahren.

Nach der Debatte um die Familienpolitik und einigen weiteren Hin- und Hers um die VDS, musste ich mich dann leider bald auf den Heimweg nach Bonn begeben. Hier endet meine erste BPT Erfahrung.

Auf der Fahrt nach Hause erfuhr ich dann, dass über die VDS – wenn überhaupt – erst morgen abgestimmt wird. So be it. Ich bin nun zu Hause und auf der Kiste stehen die Nikolausstiefel für meine Kinder.

Von Maxim Loick

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