In der SPD

Wie Ihr ja sicher alle wisst, bin ich vor etwa anderthalb Jahren in die SPD eingetreten. Meine Beweggründe habe ich seitdem immer etwas jovial damit umschrieben, dass ich „keine Lust mehr hatte, die Tagesschau anzuschreien“ und dass ich laut krakeelend vom Sofa direkt in den Ortsverein Bonn-Beuel gerannt wäre.

Im Detail war’s denn freilich etwas anders, aber immer, wenn ich mich in Genossen-Vorstellungsrunden vorstellen sollte und alle anderen Genossen von ihren 1462 von den Nazis erschossenen sozialdemokratischen Vorfahren und ihrem eigenen Parteieintritt 1789 berichteten, kam ich mir mit meinem Eintrittsdatum „Juni 2011“ und meiner politischen Karriere „hat oft gewählt“ immer etwas schmalbrüstig vor, so dass ich das mir fantastisch zu Gesicht stehende Mittel der Übertreibung gerne, oft und erfolgreich eingesetzt habe.

Als ich dann in der Partei ankam, tobte draußen ein Piratensturm sondergleichen, bei 9% und später bei gar 13% standen die Orangenen in den Umfragen. Und ich durfte mir als Neu-Genosse von denen  anhören, wie lahm der Verein ist, dem ich da beigetreten bin. Und dass dort lediglich Pöstchen verschoben würden. Dass die unsichere Haltung zur Vorratsdatenspeicherung meine Partei unwählbar mache. Dabei fand ich doch eigentlich vor allem das Hamburger Programm so cool. „Haha“, lachten sie, „das Hamburger Programm? Was hat das denn mit der SPD-Realität zu tun?“ Ich schaltete den Westfalen in mir frei und dachte: „Erstmal selber gucken.“

Ich besuchte den Bundesparteitag der SPD im Dezember 2011. Im März oder April oder so den Parteitag der Bonner SPD (letzteren gleich als Ersatz-Delegierter, was für eine Karriere!). Immer hatte ich ein wenig Angst, dass mich eine/r der GenossInnen gleich was abfragen würde, Regierungsdaten Willy Brandts oder so oder meine Haltung zu irgendwas, von dem ich noch nie gehört hatte. Ob ich denen erzählen durfte, dass ich privat krankenversichert bin?

Wie ich gestaunt habe, als die sich alle fließend in Abkürzungen unterhalten haben! „OVV“, „MV“ (kannte ich bis dahin nur als „Mayer-Vorfelder“), „UB“, „BPT“. Und diese Parteistrukturen! Diese ganzen Grüppchen! Ortsverein, Unterbezirk, Fraktion im Stadtrat, Bundestagsfraktion, UB-Vorstand, OV-Vorstand – ja Himmel! Ich wusste doch nichts von all dem… Anträge auf Parteitagen! Antragskommission und Empfehlung der Antragskommission! Mund und Nase sperrte ich auf! Und immer noch hatte ich die Angst, als ein politisch Unbeleckter entlarvt zu werden und zu sowas wie Nichternstgenommenwerden verurteilt zu werden oder Infostand! Wo alte Omas mich mit ihrem Wissen über die Weimarer Republik und die Wer hat uns verraten! – Verräter zusammenbügeln würden!

Aber es ist ganz anders gekommen. Auf dem Bundesparteitag habe ich gesehen, wie riesig diese Partei ist (obwohl sie ja dauernd geschrumpft ist). Und dass es in dieser Partei so unglaublich viele verschiedene Meinungen gibt und wie während des Bundesparteitages versucht wurde, Mehrheiten für Meinungen zu gewinnen (z. B. gegen die Vorratsdatenspeicherung) wie ganz viele Vorurteile stimmten und wie noch viel mehr Vorurteile gar nicht stimmten. Wie diese Partei (wahrscheinlich gilt das für alle anderen Parteien auch, aber ich kenne nur diese jetzt ein bisschen) sich rupft und rauft und sich manchmal in den Armen liegt und wie viele unglaublich gute und engagierte Mitglieder sie hat! Und dass in einer Partei sein nicht heißt, dass es nur eine einzige Meinung zu einem Thema geben darf, vielmehr stelle ich fest: Zu manchem habe ich eine Meinung, zu vielem nur eine bauchgefühlsmäßige Tendenz, zu den meisten noch keine, und von den allermeisten Themen habe ich noch nie etwas gehört (Oh Welt! Was bist Du groß!).

Aber an den wenigen kleinen Stellen, an denen ich tatsächlich eine mehr oder minder feste Meinung habe, da schreit diese Partei: SAG SIE UNS! Mach mit! Bring dich ein! Und das habe ich gemacht. Ich habe immerhin, mit Hilfe der Genossen @Rheinwaerts, @alexfrankpaul und @DeniseWilliams5, einen Antrag gegen die VDS in unserem Ortsverein auf den Weg gebracht. Und dieser Antrag wurde sogar angenommen. Und von anderen Ortsvereinen in Bonn als Vorlage weiterverwendet. Und, im Zuge des Mitgliederbegehrens gegen die VDS, habe ich zusammen mit den o. g. GenossInnen eine Veranstaltung mit dem fantastischen Uli Kelber gemacht.

Gut – jetzt ist die SPD immer noch nicht eindeutig gegen die VDS. Und Buschkowski ist auch nicht leicht auszuhalten. Und @sigmargabriel hat noch nie #spülerAusräumenToDeath getwittert. Aber ich kann was sagen bei den Sozis. Und ich habe keine Angst mehr, denn bei den Sozis wird, zumindest hier unten, über Themen gesprochen. Und es herrscht eine Kommunikationskultur, die offen ist. Und es wird anerkannt, dass ganz viele Meinungen einfach noch nicht fertig sind und noch nicht fertig sein können.

Als die Piraten in ihrem Zenit nach Transparenz! und Partizipation! riefen, da saß ich in einem dieser Hinterzimmer! und jeder, der dort auch saß, war froh, dass ich gekommen bin. Hau mir auf’s Geweih, aber der Geist, den das Hamburger Programm ausstrahlt, den finde ich im SPD Ortsverein Bonn-Beuel. Die Sozis wollen die Welt verbessern und das tun sie und sie sind sich für nichts zu schade, wie cool!

P.S.: Was für völlig coole Leute wir hier haben, so allgemein: Yasmina BanasczuckGerold Reichenbach, Mathias RichelHannelore Kraft, Uli Kelber, Lars Klingbeil, Andreas Hartl, Dennis Morhardt, Valentina Kerst, Manuela Schwesig, Jan Mönikes, Martin Schulz und mich! Und Alvar Freude, den kriegen wir auch noch!

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Von Maxim Loick

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