Der NSA ein Gesicht geben

Ich denke ja, dass die NSA*)-Überwachungsaffäre so nicht für eine Grassroots-Bewegung taugt, also dass es, so wie die Dinge derzeit laufen, zu keinen Massenprotesten auf den Straßen kommen wird.

Ich glaube, dass das zum ersten daran liegt, dass wir nicht wissen, welches Material die NSA nun genau von uns hat und wie dieses Material aussieht. Irgendwie so, wie das, was Malte Spitz mal mit seinen Vorratsdaten visualisiert hat vielleicht. Vielleicht. Das ist nur eine Hypothese. Wie sehen meine Daten im User Interface von XKeyscore aus? Kann mir das mal jemand zeigen?

Und zum zweiten: Welche Mitarbeiter*innen gucken sich das an? Wie heißen die? Wie arbeiten die? Kann man die mal ansprechen? Gibt es geleakte Mitarbeiter*innen-Listen der NSA? Welcher Kopf hat meine Daten gesehen und was fängt dieser Kopf damit an? Ist das ein Familienvater, der mit meiner Ausspähung seine Kinder ernährt? Oder sind das Leute mit geheimen Doppelidentitäten? Sind sie unter uns?

Wie sehen die Prozesse aus, wenn etwas vermeintlich auffälliges in den Daten gefunden wurde? Läuft dann ein*e Mitarbeiter*in zum/r Vorgesetzten und sagt: „Das ist eigenartig. Er hat auf dem Klo gesessen, aber nicht getwittert, obwohl er das Handy dabei hatte. Und jetzt halt dich fest: Seit neuestem verwendet er eine Veschlüsselung.“

Das Budget der NSA betrug laut Wikipedia im Jahr 2013 rund 10,8 Milliarden US Dollar. Fast! Elf! Milliarden! Dollar! Das sind, so rein aus IT-Projekt-Sicht, ja paradiesische Zustände, anything goes, der Traum von den ungedeckelten Budgets. Wie sind die so rein businessmäßig organisiert? Wie ist die Betriebshierarchie, wer reportet an wen? Was haben die in ihren Jahreszielvereinbarungen stehen? Was passiert, wenn da Projektziele nicht erreicht werden? Muss ich als subalterner Projektleiter bei der NSA ein Budget erkämpfen, wenn ich ein User Interface aufhübschen will? Bei wem? Und diese fast 11 Mrd. $, das sind doch Steuergelder, oder? Elf Milliarden, für die niemand detailliert Rechenschaft ablegen muss, echt jetzt?

Gibt’s unter den Mitarbeiter*innen die üblichen Büro-Differenzen? „Da ist wieder die dusselige Kuh von Abteilung C, die kann keiner ab“, läuft das da so? Immerhin beschäftigt die NSA lt. Wikipedia geschätzt 40.000 Mitarbeiter*innen. Da brauchen die auch sowas wie eine HR-Abteilung, oder? Wie sind die Regelungen für Maternity Leave und gibt es Freizeitausgleich für Überstunden? Sind das 40.000 Held*innen, wie wir sie aus „24“ kennen, 40.000 Beste der Besten? Bringen die sich Kuchen mit, wenn eine*r Geburtstag hat? Mögen die Blumen? Tauschen die Bilder von uns aus, die sie über unsere Handys gesammelt haben? Haben die vielleicht Sammelstickeralben von uns auf dem Klo?

Alles reine Spekulation. Solange wir davon nicht konkreteres erfahren, werden die Straßen frei bleiben. Wir brauchen Namen und Charaktere und Gesichter.

 

*) Die arme NSA muss hier bei mir wieder mal alleine den Kopf hinhalten für alle: Der Faulheit halber sage ich NSA, meine aber den ganzen Rest der Bande mit: BND, GCHQ und alle jene, die ich gar nicht kenne.

Von Maxim Loick

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