Sur le pont de Bonn

Ich wohne in Schwarzrheindorf, also auf der Beueler Seite von Bonn, und unser Büro ist am Bertha-von-Suttner-Platz – daher fahre ich im Moment jeden Tag entweder mit dem Fahrrad oder ÖPNV über die Kennedybrücke – oder ich gehe mit der #Pollykowskaja zu Fuß.

Jeden Tag sehe ich, dass man in der Mitte der Brücke folgende Blicke frei hat:

  • aufs Siebengebirge
  • aufs ehemalige Regierungsviertel mit Posttower und Langem Eugen.
  • auf das südliche Bonner Rheinufer mit Oper und Altem Zoll
  • auf das nördliche Bonner Rheinufer mit Stadthaus und Beethovenhalle
  • auf das nördliche Beueler Rheinufer mit seinem vielen Grün in der Sonne und der Doppelkirche von Schwarzrheindorf
  • auf das südliche Beueler Rheinufer mit Rheinlust und dem Siebengebirge im Hintergrund

Unten tuckern die Schiffe durch. Oben aber ist entweder PKW-Stau oder die Autos plästern wie angestochen an mir vorbei. Bei schönem Wetter sind Rad- und Fußwege auf der Brücke brechend voll und ein*e jede*r bleibt mindestens einmal stehen, um mindestens einen der o. g. Blicke zu riskieren.

Und da hat es mich neulich mal angesprungen: Wenn diese ganzen Shice-Autos nicht wären, sondern nur Füßgänger*innen, Radfahrer*innen und der ÖPNV – was hätten wir für Hochqualitätsplatz auf der Brücke für Gastronomie, fliegende Händler*innen, Flaneur*innen, Familien mit Kindern, Leute mit Bierflasche in der Hand nach Feierabend in der Sonne. Wer von Euch schon mal in Rom war und die Brücke vor der Engelsburg gesehen hat, ist vielleicht in der Lage, dieses Gefühl und diese Stimmung, die dort herrscht, auf über dem Rhein zu projizieren.

Darum hab ich heute folgendes getwittert:

Und irgendwie hab ich darauf drei vier positive Reaktionen erhalten. Und deswegen hab ich heute mal das Foto oben geschossen und beim Überqueren mal folgende Überlegungen angestrengt:

  • wie sehr würde der Beueler Konrad-Adenauer-Platz aufgewertet?
  • wie sehr würde der Bonner Bertha-von-Suttner-Platz aufgewertet?
  • wie sehr würde die Hundepipiwiese vor der Oper aufgewertet?
  • man müsste beide Rheinuferpromenaden für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen besser an die Brücke anbinden, da gibt es bestimmt coole Architekt*innen oder Städteplaner*innen, die diese zehn Meter Höhenunterschied irgendwie nice überbrückt bekommen.
  • Und was den Autoverkehr angeht:
    • Ist die Bedeutung der Kennedybrücke für den Autoverkehr jenseits derer, die in die Innenstadt fahren, von überregionaler Relevanz?
    • Ich selbst zumindest fahre, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, jetzt schon über die Autobahnen auf der Nord- und Südbrücke.
    • Welche Rolle würde die bereits diskutierte neue Rheinquerung bei Wesseling spielen?
    • Welche Rolle würde eine Seilbahn von Ramersdorf auf den Venusberg spielen?
    • Welche Rolle würde ein konsequenter Ausbau des ÖPNV in Bonn spielen (inkl. P+R)?
    • Gerade haben die SWB diese Leihfahrradgeschichte gestartet – wie wunderbar sich das in eine privatPKWbefreite Kennedybrücke fügen würde!

Also mal ernsthaft: Eine Ausweitung der Fußgängerzone über die Kennedybrücke bis inkl. Konrad-Adenauer-Platz in Beuel habe ich mir in jenem kurzen Moment heute morgen als einen Sehnsuchtsort vorgestellt – und ich kriege das gerade nicht wieder weg aus meinem Kopf. Begrünung auf der Brücke! Japanische Tourist*innen müssten nicht vor dem Beethovenhaus zwei Bildchen knipsen und dann wieder gehen, sie könnten einen Schoppen Ahrwein mit Blick auf den romantischen Rhein trinken, vielleicht gibt es dabei sogar kleine Ensembles des Collegium Musicum, die Werke des berühmten Meisters aus Bonn zum Besten geben. Ich glaube, das wäre magnetisch.

Als wir vor ein paar Tagen in Beuel im Restaurant oben am KAP in Beuel saßen, hatten wir einen fabelhaften Blick auf den Stau auf der Brücke. Stellt Euch mal vor, wir würden auf Menschen im Feierabendmodus gucken statt auf Feierabendstau.

Aber ich höre meine eigene Partei schon bedenkentragen: Das geht nicht. Statistiken, wie viele Autos da täglich drüber fahren (ohne zu hinterfragen, ob die das auch wirklich müssen, aber meh!) Von CDU und den ganzen anderen gar nicht zu reden. Liebe Genoss*innen: HIER! WERFT MAL WAS COOLES IN DEN RING! Wer darüber will gehen, muss im Tanze sich drehen! <3 <3 <3

Update – 28.11.2018: Was mir noch eingefallen ist:

  • Wer sich vor der Verödung der Innenstädte wegen der Digitalisierung fürchtet, sollte die Innenstadt halt attraktiv gestalten – und schöne Autos tun das mit Sicherheit nicht.
  • Und die Frage: Wohin mit all den Autos, die heute schon die Brücke verstopfen? Wäre die Brücke heute schon eine Fußgänger- und Fahrradbrücke, würde sich umgekehrt die Frage stellen: Wohin mit all den Fahrrädern? Zugegeben, das geht in Richtung Derailing, daher P+R-Konzepte her! Vollausbau von ÖPNV und Fahrradinfratrukturen! Konzept für den Lieferverkehr her, das müssen auch nicht alles Sprinter-Diesel sein, wir haben mit DHL doch den Weltmarktführer in der Stadt, haben die in ihrem Innovationscenter dazu noch nichts auf der Pfanne?

Von Maxim Loick

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