Wem wir unser Leben verdanken: Zervixschleim

Wisst Ihr eigentlich, dass wir alle unser Leben dem Zervixschleim verdanken? In Woody-Allen-Filmen and the like wird es ja immer so dargestellt, als würde das eine superüberlebenswillige und stärkste Spermium vor allen anderen Loser-Spermien ganz vorne weg sprinten, alle anderen hinter sich lassen, als erstes an der Eizelle ankommen und dann dort die Eizelle wie der Prinz die Prinzessin einfach im Sturm nehmen. Der alte Witz, beim Zuknoten des Kondoms zu sagen: „Wenn er da noch mal rauskommt, nennen wir ihn Rambo, ok?“

Ich habe mich berufsbedingt die letzten Jahre ein bisschen mit dem Thema befasst**). Es ist nicht so. Es ist ganz anders.

Spermien sind keine Superkämpfer oder Helden mit Messern und Stirnbändern, Spermien werden entweder hofiert oder gekillt, sie haben rein gar nichts darüber zu bestimmen, ob sie überleben oder gleich zugrunde gehen, denn das steuert der Zyklus der Frau*). In Phasen, in denen eine Schwangerschaft gerade echt nicht angesagt ist, machen’s Spermien innerhalb des weiblichen Körpers echt nicht allzu lange. Damit die „kleinen Kämpfer“ überhaupt eine Chance haben, gibt es rund um den Eisprung den Zervixschleim – eine Schande, dass es dafür kein hübscheres Wort gibt! Nur wenn genug Zervixschleim vorhanden ist, haben Spermien überhaupt eine Chance, lange genug zu überleben, um der gesprungenen Eizelle auch nur angesichtig zu werden. Wenn cycle says no, sind zum einen die Tore nach Baby-lon (haha!) verschlossen und zum anderen sorgt das leicht saure Milieu in der Vagina für ein ebenso effektives wie geräuschloses Massensterben (wenn Ihr mir gestattet, mal in dieser etwas albernen Bildsprache zu verweilen). When cycle says yes, sind die Tore wide open, es gibt Nektar und Ambrosia (also Zervixschleim) in Hülle und Fülle und hinterm Grenzübergang Z (also dem Muttermund) sind massig gut versorgte Parkplätze mit Picknickplätzen vorbereitet. Die „kleinen Kämpfer“ verhalten sich eher wie „kleine Camper“, machen es sich erstmal gemütlich und leben von Zervixschleim. Die, die zuerst an der Eizelle ankommen, suchen den Eingang (den es erstmal nicht gibt) und picken dabei die Hülle an. Irgendwann, wenn die Hülle brüchig genug geworden ist, kommt irgendso’n Griswold daher, der am Anfang vielleicht direkt hinter der Grenze erstmal Pause gemacht hat, und schafft es in die Eizelle – und zwar deswegen, weil die ganzen anderen Helden zu hunderten und tausenden die Vorarbeit geleistet haben.

Es ist ja nun nicht alles ein Vergleich, was hinkt, aber ich finde, dass diese Rambo-Erzählung viel stärker hinkt als meine. Und was ich eigentlich sagen will: Es ist ein fuckin‘ (haha!) Wunder und es ist wunderbar, wie der Zyklus das im Griff hat. Dass das Narrativ, das zumindest mir am präsentesten war, von männlichen Superstarspermien handelt statt von Ambrosia auf der Raststätte hinter dem Muttermund, ist Folge des selben Umstands, weshalb wir kein schöneres Wort für Zervixschleim haben. Und dieser Umstand ist ein patriarchalischer. Am Ende ist es der weibliche Zyklus, der über Leben und Tod bestimmt, und das ist tatsächlich ein Wunder.

*) Ich sage mal „Frau“, weil mein Vokabular noch nicht sattelfest ist, was Transmenschen und Nichtbinäre angeht. Ich bitte um Nachsicht, dass mein Kenntnisstand dazu noch unzureichend ist, ich vespreche, das zu verbessern!

**) Ich habe ja mit @frau_ratte 2015 die trackle GmbH gegründet und bin da jetzt Technischer Leiter und Qualitätsmanagementbeauftragter.

Von Maxim Loick

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